Regeln und Glücksstern

 

REGELN UND GLÜCKSSTERN

                                                                          

 

Ein Thema, das unsere Arbeit mit den Kindern laufend begleitet, sind die Regeln und der „Glücksstern“.

Regeln spielen überall, wo mehrere Menschen zusammen sind, eine große Rolle. Unser Ziel ist es, die Regeln, die für das Zusammenleben im Kindergarten grundlegend sind, zusammen mit den Kindern zu bestimmen und ggf. zu verändern. Das Leben mit diesen Regeln soll für die Kinder begreifbar, direkt erlebbar und anschaulich sein. Sie sollen sie ihrem jeweiligen Entwicklungsstand entsprechend im Alltag anwenden können. In erster Linie geben unsere Regeln jedem Kind Sicherheit für sein Spielen, tägliches Leben und seine Entwicklung im Kindergarten. Einschränkung erfahren Kinder dann, wenn sie das Spielen oder die Sicherheit anderer oder von sich selbst gefährden.

 

Grundgedanken

Es ist wichtig, dass die Kinder, die von ihrer Entwicklung und ihrem Verhalten her dazu fähig sind, während des Freispiels in fast allen Bereichen unseres Kindergartens in Absprache mit den ErzieherInnen auch alleine spielen und arbeiten können. Damit bieten wir möglichst vielen Kindern, besonders den älteren die Möglichkeit, sich ihren Bedürfnissen entsprechen zu beschäftigen und zu entwickeln und dabei Selbstständigkeit und Selbstverantwortung zu üben.

Dieses Alleine-Spielen ist mit unseren Regeln und dem „Glückstern“ für Kinder, Eltern und MitarbeiterInnen klar geregelt und durchschaubar. Es wird für alle Beteiligten deutlich, wie dabei unsere Aufsichtspflicht erfüllt wird, und trotzdem den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder möglichst viel Freiraum, zur individuellen Entwicklung geschaffen wird. Dem Entwicklungsstand jedes Kindes wird so Rechnung getragen. Die im Kindergarten verbindlichen Regeln sind in Wort und Bild für alle festgehalten.

Bei der Findung und Festsetzung der Regeln waren die Kinder ernsthaft beteiligt und sie werden zusammen mit ihnen immer wieder hinterfragt und ggf. verändert. Solch eine Veränderung von Prüfung zum „Glücksstern“ hat nun stattgefunden.

Natürlich gibt es immer Kinder, die (noch) nicht alleine spielen können, da sie in Ihrer Entwicklung noch nicht so weit sind, was völlig normal ist.

 
Regeln – Glücksstern und die Kinder

Regelmäßig wird in den Gruppen besprochen, was Regeln überhaupt sind, welche Regeln es im Kindergarten gibt und warum sie für unser Zusammenleben notwendig sind. Dies geschieht nicht nur sprachlich, sondern auch im Rollenspielen und Malen. Es gibt zum „Begreifen“ der Regeln auch Malblätter mit den Regelbildern.

Den meisten Kindern ist klar, dass sie unsere, von den Kindern selbst entwickelten, 7 Regeln einhalten können müssen, wenn sie alleine im Kindergarten spielen wollen und sicher sein wollen, dass ihnen und anderen nichts passiert.

Es wird in den Gruppen von Kindern und ErzieherInnen gemeinsam besprochen, wie die Kinder selbst und die ErzieherInnen wissen können, dass ein Kind diese Regeln im Großen und Ganzen einhalten kann. Hier haben die Kinder nun den Begriff der „Prüfung“, in den Namen „Glücksstern“ umbenannt.

Die Kinder wissen, dass es keineswegs darum geht, dass man die Regeln auswendig können muss, sondern, dass es wichtig ist in der jeweiligen Situation zu wissen, wie ich handeln oder mich verhalten soll. Z.B. ist es wichtig zu wissen, wenn ich Musik hören möchte, dass ich nicht alleine an Steckdosen und Geräte darf. Ich muss in diesem Moment nicht wissen, dass ich mich vor ErzieherInnen nicht verstecken darf. Dies ist für Erwachsene im Übrigen genauso: wer von uns kennt alle Verkehrsregeln auswendig und fährt trotzdem täglich regelkonform Auto oder welcher Erwachsene kann alle 10 Gebote spontan nennen, wendet sie aber trotzdem größtenteils in seinem Leben an. Zum „Erlernen“ dieser Regeln müssen keine speziellen Aufgaben erfüllt werden, sondern sie sind im Kindergartenalltag präsent und begleiten uns.

 

Die Praxis

Folgende Eckpunkte sind für den „Glücksstern“ verbindlich. Diese machen auch deutlich, dass niemand erwartet, dass die Regeln zu jedem Zeitpunkt eingehalten werden müssen, sondern vor allem in den „Alleine-Spiel-Situationen“ und dass es auch „Ausrutscher“ geben darf. Sie sind auch am Entwicklungsstand und Fähigkeiten jedes Kindes orientiert und haben das grundsätzliche Ziel das einzelne Kind zu stärken und in seiner Entwicklung zu fördern:

  • Den Glücksstern nicht zu machen oder (noch) nicht zu schaffen, darf für das einzelne Kind längerfristig nicht negativ wirken.
  • Die Nutzung und das Spielen in den Nebenräumen und im Garten sind durch deren Betreuung auch für alle Kinder ohne den Glücksstern möglich.
  • Jedes Kind kann sich selbst zum Glücksstern anmelden (Neuaufgenommene 3-4 -jährige erst etwa nach 3 – 4 Monaten) – jedes Kind wird von der Gruppe und den ErzieherInnen dabei beraten (Einschätzung: kann das Kind den Glücksstern, schaffen und welche Unterstützungsangebote von Kindern und ErzieherInnen werden gemacht).
  • 2 – 4 Kinder pro Gruppe können gleichzeitig den Glücksstern machen. Die mögliche Anzahl hängt vom einzelnen Kind und der Gruppenzusammensetzung ab, worüber die ErzieherInnen entscheiden. Wenn zu viele Kinder gleichzeitig den Glücksstern machen wollen, kann die Auswahl durch auszählen oder das Geburtsdatum getroffen werden.
  • Der Glücksstern ist bestanden, wenn an 15 Kindergartentagen die Regeln an 10 Tagen im Großen und Ganzen eingehalten wurden.
  • Kann ein Kind an 3 aufeinanderfolgenden Tagen die Regeln nicht einhalten, so wird der Glücksstern abgebrochen, damit das Kind nicht unnötige Enttäuschung erlebt, wenn es einfach noch in der Lage ist, alleine zu spielen.
  • Während der Erprobungsphase sollen die Kinder auf jeden Fall mögl. oft auch das „ohne Erwachsene – Spielen“ in Nebenräumen oder Garten erproben.
  • Ob die Regeln eingehalten sind oder nicht, d.h. es einen Stern, grünen Punkt o.ä. gibt oder nicht, muss sich immer an der Massivität der Nichtbeachtung und der Wichtigkeit der Regel orientieren (z.B. mit Stock schlagen kein Stern - aber einmal „Du Depp“ gesagt haben Stern). Besprochen und darüber entschieden wird gemeinsam mit den Kindern, z.B. im Stuhlkreis. Dabei ist es auch wichtig, dass das betreffende Kind sich selbst einschätzen und dies verbal äußern kann. Je nach Situation kann diese Besprechung auch in Kleingruppentreffs stattfinden, damit die Motivation dazu für alle vorhanden bleibt. Dabei werden besonders die positiven Situationen des Tages für das Kind angesprochen und, wenn nötig, natürlich auch die problematischen.
  • Die ErzieherIn hat nur in Ausnahmefällen ein Vetorecht. Dies ist besonders dann wichtig, wenn einem Kind ungerechtfertigt von anderen Kindern unterstellt wird, es habe Regeln nicht eingehalten. Ein Petzen oder falsch über andere reden muss von der ErzieherIn aufgefangen und richtig gestellt werden, damit so kein Kind geschwächt wird. Unsere Erfahrung zeigt, dass ein „petzen“ sehr selten stattfindet und die Besprechungen i.d.R. sehr fair ablaufen.
  • Für den Glücksstern werden nur vom Kind selbstbestimmte, freie Spielsituationen und das Spiel im Garten betrachtet. Gebundene, von Erwachsenen geleitete und begleitet Situationen werden nicht betrachtet (z.B. gem. Aufräumen, Stuhlkreis, geleitetes Freispiel, Naturtage, Morgentreff, Angebote in Gruppenraum, Nebenräumen, Milchholen ...).
  • Körperliche Gewalt gegen andere Kinder oder Erwachsene wird auch in von Erwachsenen begleiteten und geleiteten Situationen für die Prüfung betrachten und mit einbezogen.
  • Wütend sein und Gefühle zeigen ist trotz der „Freundlichkeitsregel“ erlaubt.
  • Wenn der Abbruch der Erprobungsphase während der 15 Tage droht, werden die Eltern darüber informiert, damit evtl. daraus resultierende Reaktionen des Kindes zu Hause einschätzen und auffangen können.
  • Wenn ein Kind den Glücksstern nicht bekommen hat, kann es sich nach etwa 4 –6 Wochen wieder dazu anmelden. Für Kinder überschaubare Zeitpunkte wie nach dem Laternenfest, Weihnachten u. ä. können vereinbart werden. Wiederholungen sind immer wieder möglich! Ein endgültiges „Aus“ gibt es nicht!!!
  • Wenn der Glücksstern bestanden ist, erhält das Kind feierlich eine Urkunde und die Glückssternplakette überreicht. Die Plakette muss im Kindergarten bleiben.
  • Bei schwerwiegendem Nichtbeachten oder häufigem Übertreten von Regeln kann der Glückstern nach Beratung mit der Kindergruppe für einige Tage max. 1 – 2 Wochen entzogen werden. Evtl. können auch noch Chancen vor dem Entzug vereinbart werden. Bei sehr massiven Regelmissachtungen kann der Glücksstern auch ganz entzogen werden und das Kind kann ihn nach einiger Zeit nochmal von Neuem beginnen. Dieses Vorgehen wird sehr am einzelnen Kind orientiert umgesetzt und die Kindergruppe wird einbezogen und beteiligt.
  • Die Eltern werden zu Beginn eines evtl. notwendigen kurzzeitigen Entzugs informiert, damit sie bei evtl. Reaktionen darauf zu Hause entsprechend reagieren können.
  • Für einzelne ältere Kinder, die besonderen individuellen Bedarf haben, kann im Mitarbeiterteam entschieden werden, dass sie zunächst ein „Teilbereich-Glücksstern“ z.B. für die Halle oder den Rhythmikraum machen können.
  • Bei besonderen individuellen Belastungen in Einzelfällen kann der Erprobungsprozess auch für eine gewisse Zeit in Absprache mit dem Team und den Eltern unterbrochen werden.
  • Dieses Erhalten des Glückssterns, verstehen wir als einen kindergarteninternen Prozess, der für jedes einzelne Kind gestaltet wird. Er soll von den Eltern so begeleitet werden, dass auf keinen Fall zusätzlicher Druck auf das einzelne Kind entsteht. Auch das in Aussichtstellen von Belohnungen durch die Eltern halten wir für problematisch und bitte davon abzusehen.
 
Regeln und Prüfung und Glücksstern   - Erfahrungen – Reflexion - Überarbeitung

Unsere Erfahrung zeigt, dass mit den Regeln des Glückssterns jedes Kind entsprechend seinen Fähigkeiten und Entwicklungsbedürfnissen möglichst selbstbestimmt und trotzdem behütet, sicher und ohne Ausgrenzung in unserem Haus für Kinder leben und spielen kann und entsprechend gefördert wird.

Es ist auch gelungen die Kinder an diesem Prozess und allen wichtigen Entscheidungen sehr gut zu beteiligen und so ein Stück Demokratie im Kindergarten zu leben. Wie fast alle Bereiche unserer Arbeit, ist auch dieser nie abgeschlossen, sondern wird von allen Beteiligten immer wieder verändert und weiterentwickelt

Anlagen:
Unsere Kindergartenregeln[ ]133 Kb23.11.2010